MILA - "eine Reise nach Holland"

Das ist Mila...Mila ist fast 4. Und Mila hat das Down-Syndrom.

Mila´s Mama Claudi habe ich vor einiger Zeit auf einer Hochzeit, die ich fotografiert habe, kennengelernt und vor kurzem sprach sie mich an und fragte nach einem Foto-Termin der "ganz besonderen Art".

Für mich kam das ziemlich passend, denn seit ich nicht mehr für die DKCV (Deutsche Kinderfotografen Charity Vereinigung) fotografiere, da diese sich leider aufgelöst hat, machte ich mir schon seit längerem Gedanken, mir ein anderes ehrenamtliches Fotoprojekt zu suchen.

Durch die Begegnung mit Claudi und ihrer Familie entschied ich mich dann aber, mein eigenes kleines "Charity-Projekt" zu machen: WE ARE FAMILY - nur anders...

 

Und natürlich starte ich dieses auch mit Mila!

Anfang September habe ich Mila´s Familie mit meiner Kamera besucht.

Wir - Mila, Mila´s große Schwester Lara, Claudi und ich  - treffen uns vor einem Supermarkt. Das ist mir wichtig, denn so kann ich sehen und festhalten, wie der Alltag mit einem "besonderen" Kind so "funktioniert".

Mila sitzt im Einkaufswagen und begrüßt mich mit einem "AUA". Mila verwendet "Aua" für so vieles. Sie spricht noch nicht. Zwar brabbelt und singt sie vor sich hin, doch keine verständlichen Worte... Claudi erzählt mir, dass Mila sich vor knapp einem Jahr den Finger am Kühlschrank geklemmt hat, mit einem lauten "Aua" reagierte und seit dem ist fast alles "Aua". Meine Begrüßung, das Würstchen, dass sie während des Einkaufs isst und auch das Brötchen.

Aber auch ohne viele Worte scherzt sie mit mir. Über Gestik und Mimik und ich merke, sie hat Spaß. Und abgesehen davon, dass sie ausser "Aua" nicht viel sagt, benimmt sie sich wie jedes andere 4-jährige Kind im Supermarkt auch: Claudi hebt sie aus dem Wagen und Mila verschwindet blitzschnell in einem Gang voller bunter Süßigkeiten, futtert ihr 2. Würstchen und fährt am Ausgang mit einem "1€-Auto".

Zuhause angekommen "fordert" Mila gleich Musik. Und tanzt! Ihr Lieblingssong ist "Sugar" von Robin Schulz.

Währenddessen erzählt mir Claudi ihre Geschichte.

Milas Handicap wurde erst nach der Geburt festgestellt. Ich bewundere die Art, wie die Familie damit umgeht. Denn sie sehen es tatsächlich so: "es gibt schlimmeres". Mila ist nicht krank! Mila hat "nur" das 21. Chromosom in dreifacher Ausführung. Was mich sehr berührt, ist die Geschichte, mit der die Familie nach Milas Geburt ihr Umfeld informiert.

Willkommen in Holland - von Emily Perl Kingsley, Mutter eines "Downies":

"Ich werde oft gefragt, wie es ist, eine behindertes Kind großzuziehen, um Menschen, die diese einzigartige Erfahrung nie gemacht haben, dabei zu helfen, dies zu verstehen und um sich dieses Gefühl vorstellen zu können. Es ist wie folgt....Wenn man ein Baby erwartet ist es, als würde man eine wundervolle Reise nach Italien planen. Man deckt sich mit Reiseprospekten und Bücher über Italien ein und macht sich großartige Pläne: das Kolosseum, Michelangelos David, eine Gondelfahrt in Venedig. Man lernt vielleicht noch ein paar nützliche „Brocken“ Italienisch. Es ist alles so aufregend. Nach Monaten ungeduldiger Erwartung kommt endlich der langersehnte Tag. Man packt die Koffer und es geht los. Einige Stunden später landet das Flugzeug. Die Stimme der Stewardess aus dem Lautsprecher sagt: „Willkommen in Holland!“ „Holland ?!? Was meinen Sie mit Holland ?!? Ich habe eine Reise nach Italien gebucht! Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, nach Italien zu fahren!“ Aber der Flugplan wurde geändert. Du bist in Holland gelandet und da musst du jetzt bleiben. Wichtig ist, dass du nicht in ein schreckliches, dreckiges, von Hunger, Seuchen und Krankheiten geplagtes Land gebracht worden bist. Es ist nur anders. Also musst du los ziehen und neue Reiseführer besorgen. Und du musst eine komplett neue Sprache lernen. Und du triffst eine ganze Reihe andere Menschen, die du in Italien nie getroffen hättest. Es ist nur ein anderer Ort, langsamer als Italien, nicht so glitzernd wie Italien. Aber nach einer gewissen Zeit an diesem Ort und wenn du dich von deinem Schrecken erholt hast, schaust du dich um und....du entdeckst, dass Holland Windmühlen hat....Holland hat auch Tulpen. Holland hat sogar Gemälde von Rembrandt. Aber alle, die du kennst, beschäftigen sich damit, nach Italien zu reisen oder aus Italien zu kommen....und alle prahlen damit, welche wunderschöne Zeit sie dort verbracht haben. Und für den Rest deines Lebens sagst du dir: „Ja, Italien, dorthin hätte auch meine Reise führen sollen. Dorthin hatte ich meine Reise geplant.“ Und der Schmerz darüber wird nie und nimmer vergehen....denn die Nicht-Erfüllung dieses Traumes bedeutet einen großen Verlust für dich. Aber....wenn du dein Leben damit verbringst, dem verlorenen Traum der Reise nach Italien nachzutrauern, wirst du nie offen dafür sein, die einzigartigen und wundervollen Dinge geniessen zu können....in Holland."

Natürlich ist nicht alles immer leicht. Glücklicherweise begegnet Mila kaum jemand, der Vorurteile hat. Sie ist sehr beliebt überall und bekannt wie ein bunter Hund. Doch Unwissen begegnet Claudi viel. Zum Beispiel fragen die Leute allen ernstes: "Oh je, wann ist das denn passiert?" oder "Geht das wieder weg?"

Nein...es geht nicht wieder weg. Und wie sich Mila weiterhin entwickelt ist völlig unklar. Vielleicht wird sie ihr Leben lang auf fremde Hilfe angewiesen sein. Vielleicht wird sie aber sogar studieren? Es ist alles ungewiss... Mit viel Förderung und Forderung ist aber auch alles möglich. Doch ohne Druck, denn man kann nichts vorhersagen. Und irgendwie finde ich, könnte die Gesellschaft bzw. Eltern nicht-behinderter Kinder, sich hier ein wenig abgucken! Ein Kind ist Kind! Man sollte nicht alles planen und vorhersehen wollen! Wenn es heute noch nicht spricht oder läuft, dann spricht oder läuft es vielleicht nächste Woche! Und wenn es kein BWL oder Jura studieren kann oder möchte, wird es halt Erzieherin oder Koch! Ist es wirklich wichtig, immer den Vergleich mit anderen zu suchen???

Natürlich gibt es für Mila´s Familie einige Hürden und sicherlich auch aufwendigere Wege als für andere Familien. Zum Beispiel regelmäßige Fahrten zum Zentrum für Entwicklungsdiagnostik oder zu Ärzten auf Grund der Besonderheiten beim Down Syndrom. Der Kampf darum, dass bestimmte "Medikamente" bald  in Deutschland zu kaufen sind...

Aber die Familie sieht alles gelassen, lässt Mila sein wie sie ist und vorallem Kind sein!

Jeder ist, wie er ist. Auf seine Art und  Weise... Und Mila ist besonders liebensWERT und liebeVOLL...